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Erfolgsrezepte für die Wiederbewaldung

Was tun, wenn die Naturverjüngung an ihre Grenzen stößt, weil Klima- und Wetterkapriolen oder andere Schadensereignisse zu (zu) großen Waldflächenverlusten geführt haben? Der DLG-Ausschuss für Forstwirtschaft hat im Impulsforum „Herausforderung Wiederbewaldung – Best Practice“ auf der DLG-Wintertagung 2024 den aktuellen Stand der Dinge in einem kurzen Abriss dargestellt. Neben Vorträgen wurden im Rahmen einer Podiumsdiskussion auch die Chancen und Risiken für die Praxis unter Beteiligung des Publikums beleuchtet und diskutiert.

„Ich bin ein forstliches Kind der 90er-Jahre, die Naturverjüngung ist für mich das Nonplusultra“, mit diesem selbstkritischen Statement eröffnete Thomas Wehner, Bereichsleiter Forstwirtschaft im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft das vom DLG-Ausschuss für Forstwirtschaft gestaltete Impulsforum auf der diesjährigen DLG-Wintertagung, die am 20. und 21. Februar in Leipzig stattgefunden hat. Gerade die Naturverjüngung kommt aber dann an ihre Grenzen, wenn es – wie beispielsweise aufgrund der Dürreperioden der letzten Jahre – zu Kalamitäten, d. h. großen Waldflächenverlusten kommt oder gekommen ist. Deren Aufarbeitung wird die Waldbesitzer die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschäftigen und macht auch Investitionen im nicht gerade geringen Umfang nötig. Bei der Suche nach echten Erfolgsrezepten für die Wiederbewaldung werden nach Wehners Ansicht Forschungsschwerpunkte wie die Verjüngungsökologie, neues Denken von Waldfunktionen, Nachhaltigkeitsstrategien wieder neue Rollen spielen.

Redner beim Impulsforum „Herausforderung Wiederbewaldung – Best Practice“ waren Prof. Dr. Sven Wagner von der TU Dresden, der sich mit dem Thema „Verändertes Klima – veränderter Waldbau – Chance Wiederbewaldung“ beschäftigte. Des Weiteren stellt Christof Körner vom gleichnamigen Forstbetrieb aus Teuschnitz in Bayern anhand eines konkreten Falles ein Best-Practice-Beispiel zum Thema vor, bevor Dr. Björn Seintsch vom Thünen-Institut in Hamburg mit seinem Statement zu „Wiederbewaldung und forstlicher Ökonomie“ die abschließende Podiumsdiskussion mit Teilnehmern und Plenum eröffnete.

Der Klimawandel fordert Vielfalt

Prof. Wagner ging in seinem Statement zunächst auf die strukturellen Unterschiede zwischen Wiederbewaldung und Erstaufforstung ein. Bei der Wiederbewaldung gibt es in der Regel erhebliche Reste des Vorbestandes. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob beispielsweise Winterstürme, Waldbrände oder Borkenkäferbefall für den Schaden verantwortlich sind.

Der Waldbesitzer steht hier in Abhängigkeit vom Schadensbild also zunächst vor der Frage, ob er die Schadensfläche überhaupt komplett räumen will. Wagner beschrieb die Vorteile dieser Reststrukturen. Diese behindern zwar den menschlichen Zugang, halten aber eben auch Schalenwild fern, was die Verbiss-Schäden reduziert. Sie beschatten die Fläche und sorgen so über ein besseres Mikroklima für einen höheren Pflanzerfolg, außerdem erhöht sich der natürliche Eintrag von Samen standortüblicher Arten über in den Reststrukturen lebende Tiere und Vögel.

„Der Blick auf den Wald, was soll er leisten?", so stellte Wagner anschließend die Frage nach den Zielen einer Wiederbewaldungsmaßnahme. Er machte dies an zwei möglichst weit auseinanderliegenden Polen deutlich: Beispielsweise sorgt ein Wald mit hohem Totholzanteil sowie einer hohen Alters-, Art- und Formdiversifizierung des Bestands für ein Naturnähe mit einem ein abwechslungsreichen Kleinklima und vielen Höhlen und Mikrostandorten und somit für ein besonders vielfältiges Habitat. Steht aber eine Eichenqualitätsholzproduktion im Fokus, bedeutet dies das genaue Gegenteil in der Bewirtschaftung, nämlich die Minimierung von Totholz sowie eine Waldbewirtschaftung auf gerade Schäfte und eine maximale Produktion des Zielsortiments.

In Bezug auf die vielfältigen Unsicherheiten, mit denen sich die Forstwirtschaft aufgrund der langfristigen Effekte des Klimawandels konfrontiert sieht, rief Wagner vor allem vor dem Hintergrund der langen Produktionszeiträume und der damit verbunden Gefahr eines Totalausfalls der Investition zu einer möglichst großen Vielfalt im Waldbestand auf. Hierzu gehört seiner Meinung nach eine Mischung heimischer Arten, die mit weiteren, an warm-trockene Verhältnisse angepassten und nicht-standortheimischen Arten angereichert wurde. Im Weiteren ging Wagner auf Alternativen zur Wiederaufforstung ein und brachte vielfältige Beispiele für einen veränderten Waldbau in die Diskussion ein. Seiner Meinung nach muss es ein Umdenken von „sehr schnell, sehr intensiv, sehr homogen und langfristig sehr risikoreich“ hin zu einer Waldbewirtschaftung geben, die langsamer, extensiver, gemischter, aber dadurch auch langfristig sicherer ist.

Vom Fichten-, Tannen-, Buchenwald zum bunten Mischwald

„If you want to invent new things, read old papers“, war eine häufig getätigte Aussage des Autors dieses Artikels und genau von dieser Idee hat sich Christof Körner vom gleichnamigen bayerischen Forstbetrieb bei einem Wiederbewaldungsprojekt leiten lassen. Er bezog sich auf die Publikation „Der gemischte Wald“ von Dr. Karl Gayer aus dem Jahre 1886, ein Lehrbuch mit dem er auf der einen Seite sehr viele persönliche Erinnerungen verknüpft, aus dem er aber auch auf der anderen Seite sehr viele Ansatzpunkte für seinen aktuellen und zukünftigen Waldbau ziehen konnte.

Körner ist im nördlichen Landkreis Kronach beheimatet, einem der Borkenkäfer-Hotspots in Oberfranken. Dieser Landkreis hat in den letzten Jahren mehrere tausend Hektar Fichtenwald verloren und auch auf seinen eigenen Waldflächen (120 ha in 77 Flurstücken) ist quasi der gesamte Altbestand vom Käfer zerfressen. Körner hat aktuell aber nur einen Teil des Altholzes geerntet und arbeitet die Restbestände nach und nach auf. Dabei steckt er ca. 20 % seiner Erträge direkt in die Wiederbewaldung, teilweise auch mit relativ großen Setzlingen, um den Wert der Waldböden durch eine Bestockung zu erhalten. Angereichert mit vielen Bildern beschrieb er seine Wiederbewaldungsstrategie.

Vor dem Hintergrund von Anbauzeiträumen im Bereich von 150 bis 300 Jahren hält er den geplanten Bearbeitungszeitraum von etwa zehn Jahren für den Durchgang durch seine Flächen für vertretbar, zumal mit seinem Sohn die nächste Generation den Betrieb weiterführen will. Von der Politik wünscht sich Körner mehr Förderung der freien Gestaltung, eine Motivation der Waldbesitzer durch neue Impulse sowie eine deutliche Vereinfachung der Förderrichtlinien, die im Moment viel mehr mit Zügeln als mit Zielen zu tun hätten.

Der Waldumbau ist eine Mammutaufgabe

„Neben der Wiederbewaldung der aktuellen Kalamitätsflächen liegt die eigentliche Mammutaufgabe im klimaangepassten Waldumbau der Risikostandorte“, mit diesem ersten Statement führte Dr. Björn Seintsch vom Thünen-Institut in Hamburg in die anschließende Podiumsdiskussion ein. Er berichtete, dass die Klimaanpassung der Bestände alleine auf den rund 2,85 Millionen Hektar an Risikostandorten der beiden Hauptbaumarten Fichte und Buche in Deutschland eine Gesamtinvestitionssumme von bis zu 43 Milliarden Euro verteilt auf einem Zeitraum von 30 Jahren bedeuten. Auf Basis aktueller Forschungsergebnisse verglich er die Investitionskosten für einen Waldumbau und verglich dabei Adaptions-Szenarien, die auf passive Anpassung und natürliche Sukzession beziehungsweise auf einen aktiven Waldumbau setzen. Die hohen Risiken, Unsicherheiten und Ungewissheiten bezüglich der Folgen des Klimawandels erfordern seiner Meinung nach eine adaptive Waldbewirtschaftung, die gegebenenfalls einen neuen und unter Umständen auch veränderten Kenntnisstand schnell aufgreift. Seintsch sieht eine ausschließliche Finanzierung durch die Forstwirtschaft kritisch, wenn ihr die Fichte als Brot- und Butter-Baum ausfällt und kam letztlich zum Schluss: „Wer klimaangepassten Waldumbau will, muss auch dessen Finanzierung sicherstellen.“

Baumartenwahl größtes Steuerungselement

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde intensiv über die Vorträge diskutiert. Dabei wurde die Eigenverantwortung der Waldeigentümer immer wieder angemahnt, aber auch gefordert. Denn die Waldeigentümer sind es letztlich auch, die in den nächsten 75 Jahren in die Flächen eingebrachte Baumarten, von denen man sich im Jahr 2100 aufgrund ihrer besseren Klimaanpassung Vorteile verspricht, aufgrund ihrer aktuell noch geringeren Konkurrenzfähigkeit vor Überwucherung schützen müssen. Die fehlenden Fachkräfte wurden ebenso thematisiert wie dadurch nötige Innovationen, die in Zukunft möglicherweise ganz andere Waldpflanzungsverfahren möglich machen könnten.

Wer sich weiter für das Thema interessiert, dem sei der Video-Mitschnitt des Impulsforums auf der Webseite der DLG unter https://www.dlg.org/de/landwirtschaft/veranstaltungen/dlg-wintertagung empfohlen.


Dr. Frank Volz, DLG-Kommunikation

Der DLG-Ausschuss für Forstwirtschaft

Der DLG-Ausschuss für Forstwirtschaft ist die forstwirtschaftliche Denkfabrik innerhalb des DLG-Fachzentrums Landwirtschaft. Unter Nutzung aller möglichen Synergieeffekte innerhalb der DLG, beispielsweise der DLG-Akademie, der veranstalteten Messen und Ausstellungen sowie der Fachausschuss-übergreifenden Arbeit dient er

  1. der Informationsbeschaffung und Weiterbildung für Waldeigentümer und Forstfachpersonal zur erwerbswirtschaftlichen Nutzung ihrer Waldflächen sowie
  2. dem Informationsaustausch untereinander und der eigenen Weiterbildung